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Morgengebet

Bald schon,
bald ist Krieg, die Augen sind trocken, aufgerissen.
Auf der Seite liegend, den Schwertarm bereit,
ist Stillstand in allem - wertfrei, wertlos.

Nehme ich mir die Kraft des Gegners?
Diese Macht, die ich ihm eingeräumt habe, mit der er es geschafft hat,
mir das an zu tun,
genau die nehme ich mir!
Jene unglaubliche, alles vernichtende Zerstörungskraft,
die mich so schmachvoll zerrissen und in alle Himmelrichtungen verstreut hat,
genau die nehme ich mir!

Ich werde sie mir zu Nutze machen,
lagere sie ein, für die Ewigkeit,
vermine mein Leben, systematisch, planvoll und strategisch,
sprenge mich los, wenn es sein muss - welch ein Triumph der Technik!
Jage alles in die Luft,
was in einen Spiegel schauen kann,
was einen Schatten wirft,
was Angst macht,
machen könnte, - mein Gott, der Plan geht auf.

Ich will tanzen, einen traurigen, fürwahr hämischen und zynischen Tanz der Rache,
Auf den wutüberströmten Trümmerteilen, von allem,
was atmen könnte,
was Spuren hinterließe,
wo auch immer,
im Schnee,
im Schlamm,
in mir,
wenn ich mich damit nur wieder lebendig fühlte!

Selbst wenn es hoffärtig, dumm und niederträchtig wäre,
Hauptsache, ich wähnte mich in Bewegung!

Oh Gott !
Verstecke alle Spiegel dieser Welt,
Trübe jedes Wasser,
Mach alle Fenster staubig und blind,
Mach alle Messer rau und stumpf,
Das ich nicht jene Fratze sähe!

Und wenn das nicht hilft,
Oh Herr,
Dann mach mich blind!

Und Gott sprach:
"Dein Wille geschehe!"

 

(M.W.,2006)

Standort E, 1986
-/-

Stand 35 - Manifestationen der Einsamkeit - A Toccata, 1986

 

 

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