Die Waage des Cusanus - Erläuterungen Materialbeschreibung
A
Teil A - „Verlorene Ruhe"
Gitter: Stahl, verzinkt
Steinbelag: grauer Labrador, „Mittelstreifen": Bianco Sardo „I": VA - Stahl, poliert
Abmessungen: ca. 6,8m B x 3,8m T x 1,8m H über alles

B
Teil B - „Gewonnene Haltung"
Gitter: Stahl, verzinkt
Steinbelag: roter Balmoral, „Mittelstreifen": Nero Assoluto „I": VA - Stahl, poliert
Abmessungen ca. 8,0 m B x 4,5m T x 5,3m H über alles


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In der /Waage des Cusanus/.

Für den Innenhof der Neuen Universität Heidelberg, in ein Umfeld von Lernen und Wissenserweiterung, einen Ort durch den man hindurchgeht oder in dem man vorübergehend verweilt, schien es mir notwendig, ein der technokratischen Wissensaneignung vorgehaltenes, poetisches Zeichen zu setzen. Dieses Zeichen verweist auf die, wie ich es nenne: /poetische Durchdringung/ der lebendigen Gegensätze. Die Coincidentia Oppositorum ist Metapher für die Allgegenwärtigkeit dieser Durchdringung. Die /Waage des Cusanus/ verweist auf die Möglichkeit, nicht durch „Entwirren" das poetische Geflecht des Hierseins zu erklären sondern durch „Hingabe" zu erfahren. Die Dimension einer Grenze wird erst im Moment Ihrer Überschreitung erfahrbar , d.h. daß wir im Moment der Überschreitung notwendiger Weise einen Raum betreten, in dessen Teilen wir /Selbst/ sind.- ich nenne das die „Heilige Inversion". Wollen wir uns nicht in dieser Grenze verlaufen, so sind wir gehalten, uns absichtsvoll - absichtslos dem „Ich" zu überantworten, daß wir geradewegs bestimmen. Wir brauchen Zeichen, die wir uns setzen und sagen z. B. „Ich will..". Das „zertrümmerte" Ich mutiert zur Utopie des werdenden /Selbst/, zum Zeichen der Einlösung und letztendlich der Erlösung. Das stählern glänzende, in extreme Haltung gebrachte „I" ist hier Zeichen für diese notwendige Utopie des Selbst. Die Docta Ignorantia ist Metapher für diese, das Ich „durchschreitende Haltung. Teil A /verlorene Ruhe/ und Teil B /gewonnene Haltung/ sind „Anfang und Ende" und zugleich Teile ein und derselben Grenze. Als Skulpturen sind sie „Markierungen" einer „ewigen" Grenze. Die /Waage des Cusanus/ ist ein „lebendiger Raum" eigener Natur. Es ist diese Grenze, die jeweils in vollständiger Dimension ermessen werden muß, um (entsprechende) Haltung in entsprechender (Extrem-)Situation innezuhaben. Diese Haltung ist Gegenstand immer wiederkehrender Arbeit, zu der wir von Zeit zu Zeit jeweils gefordert werden. Die /Waage des Cusanus/ ist ein Zeichen für diese Arbeit. Im Hof der Neuen Universität sind „Niemandsland", und „Jemandsland" eins.
Michael Witlatschil, 1996